Montag, 13. August 2007

Der Regenmacher

Es regnet seit zwei Tagen und keine Besserung in Sicht.

Dabei bleibt in der Ferne oft nicht mehr zu tun, als sich im 5m² Zimmer für 60 Dollars pro Nacht zu verkriechen. Der Regen prasselt auf ein schmutziges Dachflächenfenster, zusammen mit den erzählten Geschichten die einzige Verbindung zur Außenwelt.


Wenn ich dabei die Augen schließe, kann ich mir vorstellen ich würde bei mir zuhause in Gurk liegen, bei Nacht - wenn der Sturm die schrägen Fenster zum klingen bringt. Momente in denen das Einschlafen nicht zur Qual wurde.


Gemeinsam erinnern wir uns an die vergangenen Tage bei den Riley’s, das abendlich familiär zubereitete Essen, das auch sie nur monatlich genießen können. Denn die Kinder sind schon lange ausgezogen. Wie so viele andere Jugendliche dieser Gegend versuchten sie ihr Glück in der Stadt. Während der eine auf die Universität geht, versucht sich der andere in der Fastfoodbranche an der Theke. Kein Job mit vielen Zukunftschancen, wie uns die Mutter sichtlich enttäuscht erzählte.

Noch bestehe aber die Hoffnung, er komme eines Tages zur Vernunft, um den Hof des Vaters zu übernehmen. Immerhin seien hier 100 ha zu bewirtschaften.

Eine Fläche, die einen österreichischen Bauern zum Großgrundbesitzer mache, hier aber als kleine Landwirtschaft zu sehen sei. Der Durchschnitt, so wurden wir belehrt, liege bei 200ha pro Hof.

Für die Riley’s ist es besonders schwer im Wettbewerb zu überleben. Die Hoffnungen auf die Rückkehr des „verlorenen“ Sohnes, besonders aber die Rückkehr einer verlorenen Arbeitskraft, wiegen damit doppelt.

Dass Gott alles richten werde, wenn die Zeit gekommen sei, wurde dabei besonders oft bekräftigt. Den Leitspruch der Nation, den hatten sich die Riley’s besonders gut gemerkt. So speiste man nicht zu viert, nein, oft schien es, dass ein unsichtbarer Fünfter Gast wäre und während des ganzen Abends über anwesend. Er wurde oft befragt oder beschworen, befleht oder mit Dank überschüttet. Selbst unsere Anwesenheit wurde ihm zugeschrieben.

Die Gastfreundschaft war überschwänglich, die Freude über unseren Besuch eine wahrlich Ehrliche. Auch durfte das nächste Getränk nie das Letzte sein und davon gab es reichlich.

Die Mitternacht kam und schlich sich in Form von Müdigkeit in die Gastgeber. Uns ließ man nicht mehr ins Motel, sondern lud uns ins Gästezimmer. Dem nicht abgeneigt, verbrachten wir, nach einem Spaziergang unter klarem Sternenhimmel, die Nacht in bäuerlichen Federkissen.

Dass nach solchen Tagen jetzt im fünf Quadratmeterzimmer mit Blick in die Endlichkeit, die Reisemelancholie an die Zimmertüre klopft, versteht sich fast von selbst. Wir machen auf und lassen sie herein. Immer im Kampf zwischen Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsangst.

Keine Kommentare: