Freitag, 27. Juli 2007

Nazikommunisten in der Bronx

Konzept unter:

http://www.zweintopf.net/Main/AustriaForAmerica

Am Freitag wollen wir endgültig los. Ein Auto oder Wohnwagen wurde uns noch nicht beschert, aber wir hoffen auf das Land. Die Preise in New York sind einfach zu hoch, und Fernsehserien die uns weismachen wollen eine Wagen für 500$ zu bekommen wurden wohl in den 70ern gedreht.

Vorerst wird den Transport der Bus übernehmen.


New York ist wahrlich ein Paradies für Architekten und angehende, wie ich mich einen schimpfe. Aber darüber zu schreiben finde ich so langweilig wie in der Nase bohren - meistens weiß man schon was rauskommt, nur die Größe ist noch ungewiss.


Gerhard und "Sound of Music" vor dem österreichischen Kulturinstitut



Die größte Strafe dabei scheint mir das Lesen von Texten im „Architektur Aktuell“. Den Schlaf der Kinder versucht man mit dem Vorlesen von Märchen zu erreichen - warum eigentlich? - die scheinen mir spannend. Zum Einschlafen sollten Beschreibungen über Gebäude zum Besten gegeben werden.

Dabei bleibt aber immer eine kleine Bewunderung denen gegenüber, die darüber schreiben können.

Nach dem Touristenprogramm fahren wir in die Bronx.

Ich liebe diese Orte, denen man die Identität absprechen will (im architektonischen Sinn).

Der Streifzug bringt uns am Stadium an weiteren gefangenen Tieren und an Bunkern, die man als Wohnungen bezeichnet vorbei. Wir sind aber nicht die einzigen Besucher hier, Mc Donald’s war auch schon hier.

Hunger hat wohl jeder, der Magen an der untersten Stufe der Gesellschaft wird nicht kleiner.



Nach einem Burgermahl setzen wir uns wieder mal protestierend auf eine Bank um mehr Geschmack zu fordern. Sicher, man könnte auf die Suche nach den verborgenen Spezialitäten gehen, aber der Hunger ist oft schneller als der Wille.

Also - wir so dasitzend und verdauend unseren weiteren Plan besprechend (wir wollen endlich weg von New York), kommt ein Herr älteren Alters auf uns zu und bequatscht uns auf Deutsch. Die Deutsch sprechenden scheinen hier schon eine eigene Community aufgebaut zu haben - bleibt uns nur zu hoffen, das sie nicht den gleichen Weg eines deutschen Chinatowns gehen.


Aus Deutschland käme er, der nette Herr, aber aus dem Osten. Nach ein wenig Geplänkel über das Wetter, versucht er uns seine Lebensgeschichte zu erzählen. Und wir nicht viel am tun, hören ihm willig zu.

Er ist nach Amerika ausgewandert, denn in Deutschland steht alles zum Schlechtesten. Die Jungen gehen nach Österreich oder in die Schweiz arbeiten, er sei eben nach Amerika gewandert, habe sozusagen den Traum seiner Eltern verwirklicht. Heute könne man ja nicht mehr in Deutschland wohnen, überall nur noch Kriminelle und am Abend traut man sich nicht mal vors Haus. Alles Räuber und Banditen, vom Politiker bis zum Bäcker.

Damals unter dem Hitler, da sei wenigstens noch Ordnung gewesen, da hätte es so was (was?) nicht gegeben.

Der hat nur einen Fehler gemacht, der Krieg wäre nicht notwendig gewesen.

Unseren Einwand, dass das ganze Regime eigentlich nur auf Krieg ausgerichtet war, wurde ganz elegant überhört.

Aber der Hitler wurde Vergangenheit, und unser redseliger Gast arrangierte es sich mit den Kommunisten.

Diese standen aber auch für Ordnung, also im Sinn unseres Erzählers. Diebstähle im Park, das hätte es nicht gegeben, die Hand hätte man ihnen abgehackt.

Langsam erschaudert es mich vor diesem kapitalistischen Nazikommunisten. Aber zu seinen Enkeln war er sicher immer nett. Hat ihnen Taschengeld zugesteckt. Der gehbehinderten Nachbarin hat er immer über die Stiege geholfen. Den Pfadfinder kaufte er wahrscheinlich mehr Kekse ab, als sie tragen konnten.

Höflich ist er schon, redet mit jedem, hat immer eine Meinung, dieser alte nette Herr - wahrscheinlich wird er bald sterben.

Ich denke an Heinrich Böll, der in seinen irischen Tagebüchern über das Zurechtweisen rechter Recken nicht mit Resignation antwortet, sondern wieder sein so genanntes Zähneziehen beginnt. Ich denke an lange Abende im Dom Cafe in Gurk, wo das Zähneziehen meist mit lautstarken Gelächter quittiert wurde. Ich denke daran, dass meine Missionsarbeit nach dem Rausch des Vortages, einfach in die katerliche Vergessenheit des nächsten Morgens gespült wurde. Ich denke daran, wie oft ich in Kärnten mit Nachbarn und Freunden und Verwandten über das Problem Haider geredet habe. Einen Monat später kommen die gleichen alten Fragen - was hat der den schlechtes gemacht?

Die Lust auf das Zähneziehen vergeht, wen man merkt, dass es hydratische Ausmaße annimmt.

Warum es hier in Amerika besser sein sollte, als in Deutschland blieb mir während des Gespräches ein Rätsel - aber er wollte wohl den Traum seiner Eltern leben.

Morgen geht es los, nach Nowhere - unser Ziel heißt Sayre und kein Mensch auf der Welt hat je davon gehört. Außer die 7000 Einwohner davon.

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