Mittwoch, 3. Oktober 2007

Vor dem Ort



Zwei Tage lang streifen wir durch College Station und sehen nur Einfamilienhäuser, sechzigtausend Einwohner verteilt auf dreißigtausend Häuser. Eine gestaltete Langweiligkeit reiht sich neben die nächste.
Ich habe mir den Arsch der Welt schon schrecklich vorgestellt, aber hier scheint man wohl schon drin gelandet zu sein.
Einzig wunderbare Begegnung waren zwei Kinder, Bub und Mädchen, die vor einem der weißen Häuschen, auf 2 cm gemähten englischen Rasen ein paar weiße Tische ausgebreitet hatten um ihre Spielsachen feil zu bieten. Daneben hatte noch ein Nachbarsjunge einen Orangensaftstand.
Traurig geben wir zu Protokoll: Am 1.Oktober, 14h mittags hatten wir den urbansten Moment in dieser „Stadt“.

Eva, ganz flohmarkterfahren, durchforstet die kindlichen Schätze der beiden und gemeinsam heben wir eine Kiste Lego und einen Sack voller Plastikmilitärfiguren (die gibts die immer noch, damit hatte auch ich meine Jugend militarisiert) aus einem Meer von Plastik- und Plüschgrausamkeiten.
Der Orangensaftstand bringt mich dabei gedanklich in meine frühen Kinderjahre zurück, als wir selbst, mein Cousin meine Schwester und ich ganz geschäftstüchtig versuchten Saft an die Mitbürgerschaft zu bringen. Dem Kapitalismus nicht abgeneigt lernten wir bald schnell seine negativen Seiten, den unerhörten Konkurrenzdruck und den andauernden Wettbewerb zu spüren.
Meist standen wir tagelang im Freien ohne auch nur ein verdammtes Glas zu verkaufen, meist nur unterbrochen vom eigenen aufs Klo rennen, weil vor lauter Langeweile schon wieder ein Krug Saft ausgetrunken wurde.
Aber eines Tages leuchtete auch uns das Glück den Weg, der Nachbar wechselte sein Dach aus und die Bauarbeiter, sowieso eher Männer der durstigeren Sorte, kamen oft mitleidsvoll zu uns, um zusätzlich zu ihrem Bier auch noch einen Saft zu trinken.
Nach einem Monat schon hatten wir es schließlich satt mit der Getränkebereitstellung und wechselten die Branche, bauten einen Garten an, um das Gemüse zu verkaufen. – aber wie sollte es anders kommen, auch dies blieb ein erfolgloses Unterfangen.

Diesen Kindern sollte diese Erfahrung erspart bleiben und wir kaufen ihnen Saft und das andere Zeugs ab.

Gestern kam dann die Überraschung, denn die gekauften Soldaten werden uns gleich einen guten Dienst erweisen, immerhin wird unser nächstes Ziel Pensacola sein. Ich dachte ja immer das sei nur eine dämliche amerikanische Sendung zur Verherrlichung der eigenen Schlagkraft. Aber nein, es ist ein wirklicher Ort zur Verherrlichung ihrer militärischen Schlagkraft.




Einen ganzen Tag Fahrt bringen wenig Abwechslung. Wir haben erfahren, dass wir am 23.Oktober einen Vortrag im Forum Stadtpark halten sollten, „worüber eigentlich?“, denken wir uns. Aber es kommt uns gelegen, da unser Flug zurück am zwanzigsten stattfindet.
So zum Ende hin fehlt uns langsam die Motivation zum Vorwärtskommen, obwohl die noch zurückzulegende Strecke nicht so unwesentlich ist. Was auf der Karte wie ein Katzensprung, ja sogar nur wie ein Mäuseschritt aussieht, ist meist stundenlanges Sitzen in Amanda.
Die freiwilligen Nomaden wünschen sich wieder ein Haus aus festem Stein, eines das nicht gleich auf ein Auto gepackt werden kann, um damit durch die halbe Welt zu fahren.

Echte Flexibilität und Freiheit besteht nur, wenn die Dinge zu mir kommen. Ich scheiße auf meine.

Heute Morgen haben wir dann die „zweintopf military base“ gegründet. Sie wissen ja was heutzutage alles für ein Gesindel dort draußen so herumläuft und das noch direkt vor der eigenen Haustüre, wo man doch solange gespart hat, bis man sich eine leisten konnte.

So läufts bei uns jedenfalls nicht.











Schmunzelnd muss ich dabei an eine Geburtstagsfeier bei Evas Onkel denken, bei der geladenen Gäste aus Australien uns zu ihnen laden wollten und dies mit den Worten (mit englischen Akzent), „wir leben auf eine kleinen Halbinsel vor Sydney und dort leben alles nur rich people – also (im deutschen Sinne) alles good people.“
Na dann.

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