Samstag, 1. September 2007

Worlds largest whatever…


Jackson in Wyoming mit seinen ganz und gar 8 000 Einwohnern besitzt den angeblich „Worlds largest Ball of Barbed Wire“

Wow

Wenn sich jetzt einige sofort zum nächsten Englischwörterbuch durchklicken, um bei ihren miesen Sprachkenntnissen nicht auch noch ertappt zu werden, dann muss ich zugeben, dass es mir ähnlich ging.

Mich, als mit allen Wassern gewaschenen Hollywoodfilmjunkie erinnerte das aber natürlich sofort an den Film „Michael“ indem John Travolta als verfressener, sexsüchtiger Erzengel Michael mit ein paar kaputten Existenzen quer durch Amerika fährt um, ich weiß nicht mehr was zu tun und, jetzt kommt der wichtige Part des Films, dabei am Rücksitz des Autos mit einer Art „Reiseführer“ auf dem Schoß immer wieder durchsetzt, dass stehen geblieben wird, um zum Beispiel die weltgrößte Bratpfanne zu besichtigen, die irgendwo am Straßenrand steht.

Ja und was soll ich sagen, diesen „Reiseführer“ im Guiness- Buch- der- Rekorde- Style gibt es wirklich. Er nennt sich „Worlds largest Roadside Atrractions“ und führt einen überall hin. In der Kategorie „Balls of Stuff“ zu der natürlich auch unser „Ball of Barded Wire“ gehört, gibt es außerdem noch einen „Ball of Paint“, was ja jetzt wohl jeder versteht oder eben auch nicht. Befinden tut er sich in Alexandria/Indiana und es handelt sich schlichtweg um einen Baseball, der bis dato so oft mit Farbe überstrichen wurde, dass er heute 2,300 Pfund schwer und um 20.270 Schichten farbreicher ist. Das Ehepaar, das diesen Ball wahrscheinlich stündlich betreut, wird sehr treffend mit „That’s exactly what my wife and I have done for the past 31 years“ zitiert. Man beachte: 31 years! Solange muss man erst mal verheiratet sein… und dann noch die Ballpinselei…

Und da sage noch einer, die Amerikaner tun in ihrer Freizeit nichts als Fernsehen.

Weiters in der „Balls of Stuff“- Kategorie, eine der besten, finde ich, weil Sinnlosesten – ich meine, wie soll man das überhaupt übersetzen? Weltgrößte Bälle aus irgendwas??? – Einer von ihnen ist der „World Largest Ball of Twine“, um Euch nicht vollends zu verwirren (was für ein Wortspiel), das ist der Welt größtes Garnknäuel… Hier behaupten überhaupt gleich drei Knäuel in unterschiedlichen Staaten jeweils den Größten zu haben!

Es handelt sich bei allen diesen Absurditäten, wie sollte es auch anders sein, um Lebenswerke einzelner Menschen, die dann ihrer Stadt so ein einmaliges Sight hinterlassen, dass sie von allen anderen Städten unterscheidet. Man beachte: es gibt mindestens acht Orte mit Namen Jackson in den USA, aber nur eines hat den weltgrößten „Ball of Barbed Wire“, das ist doch was.

Auch gibt es noch „Worlds largest Shoe“, der ein Haus ist, aber kein Schuhhaus (Hallam/ Pennsylvania) und, um bei den Bällen zu bleiben, „Worlds Largest Ball of Stamps“ , wie auch immer. Auch die Kanadier machen mit und haben in Manitoba „Worlds Largest Smoking Pipe“ aufgestellt. www.hatnboots.org (= Überdimensionaler Hut und Stiefel) hat sogar eine eigene Homepage und wird, man höre und staune, gerade restauriert. Ja so was macht man hier auch und nicht nur in Old Europe. Außerdem hat Dresden/Ohio den weltgrößten Einkaufskorb und die ganze Stadt scheint sich damit zu identifizieren. Um auf John Travolta zurückzukommen: „Worlds Largest Frying Pan“ steht in Long Beach/Washington.

Unsere deutschen Nachbarn können immerhin mit „Worlds Largest Bycyle“ in Kolpin, sowie dem größten Gartenschlauch (Freidburg in Breisgau) oder der größten Spitzhacke (Kassel) aufwarten, England hat logischerweise mit 55 Tonnen den weltgrößten „Cookie“ und in Paris steht das weltgrößte Schweizermesser - was es dort macht, ist mir schleierhaft…


Alles in allem das passende Sightseeingprogramm für den oberflächlich Durchreisenden, günstig, weil meist direkt an der Straße und ideal für Leute, die gern Fotos von sich vor allen möglichen Dingen machen…

Eva und der barbed wire


Dieser größenwahnsinnige Mist hat jetzt meinen gesamten Artikel verbraucht, aber da wir ja gerade selbst in so einem größenwahnsinnigen Projekt mittendrinstecken – ich meine, wenn ich die Wahl hätte, entweder mein Leben lang einen Knäuel Garn aufzuwickeln oder monatelang eine vergrößerte Grenze auf einem anderen Kontinent mit Bus und Auto nachzufahren, würde ich mich zwar wieder für die Reise entscheiden, vielleicht, weil ich nicht soviel Platz in meinem Wohnzimmer habe, oder weil die Reise kürzer ist, als das ganze Leben mit garnwickeln. Was von beidem jetzt aber Sinnvoller ist, kann man nicht sagen, was Dämlicher auch nicht. Schnapsideen halt.

Dabei wollte ich in dieser Ausgabe von „Eva und Gerhard und die große weite Welt“ soviel von diesem Ort erzählen, der mich totally beeindruckt hat. Direkt vor den Toren des Yellowstone Nationalparks, bei dessen Erwähnung nicht umsonst bereits Großartigkeit und Erhabenheit mitschwingen.

So schön, so weit, so natur

Und für uns so wenig Zeit, ich durfte keine Tour into the High Countrys machen, kein Fishing, kein Hiking, kein Rafting, kein Birdwatching oder Horseriding. Nur eine Übernachtung und ein Breakfast.

Aber sollte ich mir je eine Pferderanch leisten können – ich meine so eine richtige und nicht bloß fünf Hektar, dann wäre dies MY MOST FAVOURITE PLACE um bei den Superlativen zu bleiben…

Übrigens: ein „Ball of Barbed Wire“ ist der Alptraum eines jeden praktizierenden Rinderfarmers - ein riesiges Knäuel Stacheldraht, dass man nie wieder entwirren kann.


Zweites übrigens: gleich in der Nähe haben wir den WORLDSMALLEST Flughafen gegründet: Fliegerhorst Horst. Und das ganz ohne Stacheldraht….


Fliegerhorst Horst


Donnerstag, 30. August 2007

Angstbeißer

Ich habe Angst.

Am meisten vor dem Tod und seinen Gefährten.

Also Krieg, über eine Straße ohne Schutzzone gehen (aber auch über eine Straße mit Schutzzone gehen), vor Einbrechern (vor allem vor jenen, die mit der geringen Ausbeute in meiner Wohnung unzufrieden sind) - also eigentlich immer.

Aber die Angst treibt einen über die Straße, lässt einen nicht in der Mitte stehen bleiben.

Todesangst ist also Lebensbejahung.

Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem ich mir nicht vorgestellt habe zu sterben, oder eben mir das Gegenteil bekräftigt habe.

Nach Jahren mit dieser morbiden Auseinandersetzung habe ich aber noch immer keine Lösung gefunden.

Nur die Vorstellung, die Welt sei einer Erfindung von mir, bringt manchmaliges Aufatmen, was ja gleichzeitig ein vollkommener Blödsinn ist - ich würde mir das schließlich alles nicht ausdenken.

Schönheiten sind die Hotels hier wirklich nicht, dafür haben viele große Schilder. Meist größer als das Zimmer. Alliance macht da in der Liste keine Ausnahme.

Diesmal beglückt uns das Days Inn (Kategorie four Sunnbursts ??) für 2 Nächte.



Der Name des Hotels klang wie eine Empfehlung zur Tagesnutzung.

Aber bei der Ankunft hatte der Abend schon seine ersten Kunden losgeschickt - und dass die Nacht uns nichts zu lachen bringen würde, war nicht nur eine Vorahnung.

Jung und noch eher unerfahren zu sein, hat den Vorteil noch nicht auf reichliche Erfahrung zurückgreifen zu müssen. Bevor uns die Riesenspinnen in Alliance überfielen, wusste ich von meiner Arachnophobie. Aber ich wusste nicht, dass keiner da sein würde, um sie zu bekämpfen.

In dieser Nacht wurde ich wieder drei - und hatte zwei Erinnerungen, beide mit Schmerz bepackt.

Früher noch, bevor die Spinne kam, waren meine Eltern in ihr neue gebautes Haus am Kredithügel in Gurk gezogen. Mit Krediten kannte ich mich nicht aus, aber Hügel, das war meine Welt.

Das war auch die Zeit, als im Urtlfeld das Gras noch nicht gesprossen war, es mich aber am Plastiktraktor sitzend, durch die Berberritzen trieb. Immer schön den Brettern zu, die das Anwachsen des Grases am Hügel erleichtern sollten, die sich langsam rollend und schmerzhaft näherten. Zum Schluss blieb man meistens mit Gesicht nach oben am Kanaldeckel von Urtlfeld 18 liegen.

Später wurden mir die Berberitzen wieder zum Feind, als sie sich im männlichen (bübischen) Zweikampf neuerlich in meinen Rücken bohrten.

Aber zwischen den körperlichen Schmerzen kam der Tonebühel, ein weiterer Hügel, der anfangs mein Verlangen zu Insekten stillte. Mit Liebe zum Entdeckertum ließ ich auch eine Spinne an mein Fleisch, die aber meine guten Absichten ausnutzte und gleich ordentlich zubiss.

Die Erfahrung beherrscht die Erinnerung, der psychischen Schmerz begann sich im Dreijährigen auszubreiten.

Den Jahren darauf folgten immer mehr Spinnen in dem neu gebauten Haus. Die Begegnungen wurden öfter und schmerzlicher.

Wo in Gurk, meine Mutter einschritt um die Situation zu klären, oder zumindest ein Leitz Ordner um die Ecke lag um das Vieh zu beruhigen – besser gesagt darunter zu begraben, blieb in Alliance nur die peinliche Angst zweier erwachsener Menschen.

Am Tag des Einzugs in Days Inn, gab es keine Vorwarnungen, zumindest das Personal hüllte sich in Laken des Schweigens. Wir mussten unsere selber aufziehen. In der ersten Euphorie des bevorstehenden Schlafes ist man auf einem Auge blind.

Erst wenn Ruhe einkehrt nach dem Hochlegen der Füße, wenn das Herumschweifen der Augen beginnt, sich dort an einem Riss, da an einem Fleck stößt, bemerkt man wieder mal, dass man das Zimmer allzu voreilig als Ok eingestuft hatte.

Wenn sich die Flecken beginnen dreidimensional auszuformen und haarige Beine bekommen, ist die Panik nicht mehr weit.

Zitternd versuchen wir Gegenstände in Erwägung zu ziehen, um den Biestern habhaft zu werden. Wir schlagen auf sie (meist jedoch Eva), aber sie wollen nicht vergehen. Sie beginnen zu laufen - ich glaube die haben auch Todesangst.

Der Marathon beginnt.

Die halbe Nacht jagen wir wachsam im Zimmer herum, um danach Schweiß gebadet, unter den Laken Platz zu nehmen.

Der Schlaf überkommt uns, fast am Ende der Nacht wacht Eva auf, dabei fuchtelnd nach einer vermeintlich neuen Spinne zeigend. Wieder stehen wir bei Licht dämlich im Raum herum. können diesmal aber nichts finden.

Auf die Beschwerde hin wurde uns ein neues Zimmer versprochen - wohl mit neuen Spinnen drin.



Um den Tag nicht im Spinnenzimmer zu verbringen, begaben wir uns nach Carhendge - der örtlich auch international bekannten künstlerischen Installation von Alliance.


Carhendge und zweintopf friedlich vereint


Die nächste Nacht kam viel zu schnell, mit ihr der erhöhte Blutdruck. Diesmal blieben die Flecken nur Flecken. Joghurt. Sperma. Blut

Next Stopp: Jackson, das schon am 25. unser Aufenthalt war.

Sonntag, 26. August 2007

Iranische Schweinekinder im Kopf

derzeitiger geographischer Status:
Jackson

Nachtrag Aberdeen

Aberdeen, Aberdeen immer wieder Aberdeen…
Es mag nicht vergehen, ein Kaff wehrt sich gegen das Nächste und die einzige Waffe uns länger in den Fängen zu behalten wurde gebraucht - Eva ist krank.
Liegt danieder, wo vier Wände einen grauenhaften Raum aufspannen. Rosarot kotzt es von den Seiten. Einzig eine Rose in der Wasserflasche macht die Umgebung lebend - gekauft von einer alten Frau, die 5 Dollar dafür wollte.






Während die Eva einsam im Bett liegt, laufe ich im Niemandsland herum. Sitze im Cafe und trinke einen Apfelsaft und lausche den Buchstaben. Amerika steckt wieder mal in der Krise, steht in der Zeitung und ich denke mir, „Fuck the News“ - gibt es den Schlimmeres als jeden Tag etwas Neues zu erfahren.
Lieber sollte man die Banalität kultivieren.
Und in diesem Moment wünsche ich mich nach Hause.

Dem Apfelsaft folgt ein Cafe Americano und ein unfreiwilliger Gesprächspartner. Ich bin es zwar gewohnt, mir das Leid Betrunkener am Abend anzuhören, aber am Tag, das ist neu. Die Gurker Schule hat mich gelehrt, aber dem Amerikanischen immer noch nicht mächtig, setzt mich die delierende Nuschelei vor ein Problem. Aber ein „Yes“ auf den Lippen ist schon die halbe Miete - und so lässt mich das Holzfällerhemd nach Hasstiraden gegen die Regierung Bush in Ruhe.

Die Nacht treibt mich in einen unruhigen Schlaf.
Neben mir die grippige Eva, in mir ein wütendes Unterbewusstsein.

Wir befinden uns auf einem Bauernhof, daneben ein Gasthaus mit Asyl suchenden Familien. Man freundet sich an (im Heimatdorf Evas existierte bis vor Kurzen genau jene beschriebene Szenearie). Eine der iranischen Frauen erwartet, wie sie uns in einem vertrauensvollen Moment erzählte, ein uneheliches Kind. Nach dem Geständnis verschwimmt alles ein wenig im Nebel...das Kind ein Problem….niemand darf es wissen…Panik…Angst…Wir versuchen zu helfen. Nach der Geburt, bei der ich und Eva zusehen, verstecken wir das Neugeborene in einem Schwein, welches das Baby am nächsten Tag erneut auf die Welt bringt - und wir sind dann Eltern, von einem iranischen Schweinekind - aber glücklich.
… aufwachen, die Eva hustet neben mir.

Amerika ist wieder da, ohne Kind - dafür mit kranker Eva.

Zwei Tage später - ein Morgen, eine sich zeigende Sonne und ein Lächeln im gegenüberliegenden Bett. Die Krankheit zog ihren Hut, ließ uns wieder allein.
Danach ein Frühstück, das uns an unsere Aufgaben zu erinnern versuchte.

Am Nachmittag lassen wir uns fußläufig in die Peripherie entführen. Sitzen ein wenig zwischen den Feldern, die hier alle kreisförmig sind und von rotierenden Armen bewässert werden. Das macht sie zwar nicht besser, aber von oben sieht es aus wie ein frischer Paul Klee in rund.
Würden wir in einem 5fach vergrößerten Österreich sitzen, das sich in den USA befindet, wäre unser Arsch gerade in Braunau.






Und so beim Sitzen, kommen ein paar Einheimische vorbei mit denen es zum Gespräch kommt. Wir erklären wieder mal unsere Lage. Die Notwendigkeit, New Braunau zu gründen wurde dabei unterstrichen und derweil sich hinten über den runden Klee-Feldern, die Sonne senkt, erfuhren die Amerikaner etwas Neues – Hitler war ein Österreicher.
Nun verstehend, half man uns bei der Gründung eines antifaschistischen New Braunau, was die Zukunft bringt, muss dort ohne uns entschieden werden, aber wirkliches Verständnis blieb aus, kategorisch antifaschistisch präsentierte man sich übertrieben nationalistisch – das gleiche Übel in ähnlicher Konfektion.






Einen Schlaf später, erfülle ich einen dringenden Wunsch Evas, wir besorgen uns ein Auto…und noch wichtiger wir sind schon viel weiter, aber mein schreiben hinkt hinten nach…

Freitag, 24. August 2007

Froschteiche und was daraus folgt


Das hast du eben davon, weil du zwischen New York und Aberdeen halt in jedem Froschteich baden musstest…. Ja Mama… äh … Gerhard… das nächste Mal werde ich sicher auf dich hören…

Ich muss zugeben, ich bin die letzten Tage daniedergelegen und habe das Bett nur zu notwendigen Bedürfnissen verlassen. Habe geniest, gehustet und gefiebert soviel nur ging und kenne mich jetzt absolut aus, was an Zeichentrickfilmen und Serien hier täglich so läuft.

Gerhard hat mich trotz aller Vorwürfe gegen meine Fahrlässigkeit liebevoll umsorgt, hat Unmengen an Tee, Taschentüchern und Aspirin und natürlich auch genug zu Essen in mein temporäres Krankenzimmer herangeschafft.
An ein Weiterfahren oder an irgendwelche anderen Outdooraktivitäten war nicht zu denken, sodass wir das jetzt und heute nachholen, wo ich doch seit gestern fieberfrei bin, um dann auf dem schnellsten Weg Aberdeen zu verlassen. Endlich.

Und auf dem schnellsten Weg bedeutet ab heute nicht mehr mit dem Bus über viele Umwege durch die Gegend sondern straight genau da hin, wo wir hin wollen… denn wir sind seit ca. 5 Stunden und zwanzig Minuten stolze Besitzer eines amerikanischen Großwagens (hier das Wort Kleinwagen zu verwenden, wäre absolut unpassend… dürfte ich mich im Dialekt bewegen, würde ich sagen „Riesenschüssel“)






Es handelt sich um einen alten Buick, ein sehr cooles Gefährt, dunkle etwas undefinierbare Farbe, ein langer Schlitten mit so netten Details, wie einem silbernen Cowboystiefel mit Sporen, den irgendein Vorbesitzer angebracht haben mag.



Wir haben eine Probefahrt gemacht und dann eigentlich ohne Zögern zugeschlagen, denn mit Auto wollen wir nun endlich um einiges schneller unterwegs sein. Der Kofferraum ist schon voll gepackt, die Rückbank mit allerlei Zeug bedeckt… Nach der langen Zeit des Lebens in Rucksäcken und Taschen ist es schön zumindest einen kleinen Platz zu haben, wo man sein Zeug ausbreiten kann, ohne es zwei Tage später wieder einpacken zu müssen.




Und irgendwie freue ich mich schon auf weite lange Autofahrten, wo das einzige Highlight des Tages das Tanken irgendwo im Niemandsland ist und das einzige Ziel: VORANKOMMEN…

Freitag, 17. August 2007

I love KFC


Wenn ich so richtig schlecht drauf bin, muss ich leider deutschen Punkrock hören. Heute ist so ein Tag. Und würde es nicht in meinen Ohren dröhnen, würde ich wahrscheinlich die Wände hochgehen.

Ich meine, es gibt sicher Schlimmeres als deutschen Punkrock. Ich höre halt dann die Ärzte, noch lieber Farin Urlaub oder so.
Gerhard interpretiert die Geräuschkulisse aus den Kopfhörern bereits richtig, er lässt mich in Ruhe. In Ruhe Musikhören und aus dem Fenster starren. Ich genieße solche Fahrten, wo man mit niemandem reden muss. Reisepartner, die ständig ein gegenseitiges Unterhaltungsprogramm abspulen müssen, halte ich daher nur bedingt bis gar nicht aus.

Unser Bus fährt gegenwärtig nach Aberdeen – ich glaube kaum, dass das jemandem was sagt, aber der Vollständigkeit halber wollen wir es natürlich nicht unerwähnt lassen. Auch uns sagt das nichts, aber es liegt nun mal auf der Route und getrödelt wird später – außerdem hat es gerade günstigen Reiseabstand zum letzten Ort usw.

10:00 Abend in Aberdeen – ich denke, wir sind am Hauptplatz oder so – das einzige Motel? Irgendwo außerhalb. Wir? Rucksäcke, Taschen, usw., bepackt wie zwei Esel, machen und auf den Weg. Taxis um diese Zeit? Hier? Die Leute tun gerade so als redeten wir von Schnee im Juni. Also. Nein.

„Wir brauchen unbedingt ein Auto…“, lamentiere ich. In einer großen Stadt mag man ja autolos auskommen, aber nicht auf dem Land. Hier fährt wirklich jeder. Führerschein, und dann sofort irgendein Auto – auch die letzte Schrottkarre ist okay. Aber erwähne ja nicht, du fährst Bus, dann bist du sofort unten durch!

Mein Gejammere stößt bei Gerhard nur scheinbar auf taube Ohren, denn ich glaube insgeheim verflucht auch er seine 25 Kilo auf dem Rücken. Wir latschen auf das neonpinke Motelschild zu, das einfach nicht näher kommen will. Von Neonreklamen verstehen sie wirklich was, die Amerikaner, das muss man ihnen lassen.

Ich nehme mir vor, morgen die leidige Autogeschichte in die Hand zu nehmen. So schwer kann das ja nicht sein… Wir kaufen einfach was Billiges, das fährt. Am besten so einen richtig breiten Amischlitten. Einparken kann hier sowieso keiner, da fällt sicher nicht auf, dass ich mit dem Gefährt dann halt auch nicht rückwärts in irgendwelche Mini-Parklücken hineinkomme.

Endlich das Hotel erreicht geht unser Zimmer auf die Straße raus…direkt vor dem Fenster prangt eine KFC- Leuchtreklame…damit ich auch im Schlaf nicht vergessen kann, wo ich bin…wie war das doch gleich, das mit der Leuchtreklame haben sie echt drauf, die Amis…


Dienstag, 14. August 2007

Der Ohrentrost

Ein Trost im langen Weltbestehen ist die unaufhörliche Vermehrung von melancholischen Musikstücken, die das Verweilen erträglicher gestalten. In traurigen Momenten gestaltet es sich besonders tröstlich Musik zu hören, die noch entrückter als man selbst scheint. Trost aus dem Leid der anderen.

Bei sich selbst aufräumen, das ist wohl zu viel Arbeit und oft sind auch die Regale nicht vorhanden.

Die Musik ist meist der einzige Trost der auch uns auf den zurückgelegten Kilometern begleitet. Die Suche nach Nähe, nach Freunden, die sich im baldigen Aufbruch ins nächste Kaff nicht zu verfestigen vermag, macht uns zu Ruhelosen.

Die freudige Tatsache neue Menschen kennen gelernt zu haben, wird mit jedem Abschied wieder getrübt.

Freundschaft ist ein langer Prozess, Bekanntschaft ein banales Filigranerlebnis. Nicht zu vermissen, niemals befriedigend und vor allem nicht zu verhindern. So bleibt jedes Bekanntschaftsereignis eben nur ein Temporärereignis - und danach müssen wieder die Tempos herhalten.

Also lieber doch bei der Musik bleiben.

Ein Hoffnungsschimmer - solange die Batterien voll sind.

Mit zusätzlich vierfacher Hoffnungsverlängerung wenn man Duracell geladen hat.

Nachtrag Detroit Lakes:



Nach dem Regen ist vor dem Regen - dazwischen siegt die Glut über das Wasser und die Welt ist am dampfen. Die Temperaturen steigen in den Himmel und die Lust etwas anderes zu tun, als unserer Entspannung zu frönen, liegt irgendwo im Kanal.

Dabei gestaltete es sich besonders vorteilhaft, dass der Ort über ein paar Seen verfügt.

Personen, die auf besondere Attraktionen des Ortes befragt wurden, waren besonders stolz auf zwei ganze Public Beaches - die natürlich zu bezahlen waren.

Dazwischen breiten sich die Privaten aus.

Ganz wie in Kärnten - Detroit Lakes - die Kretins der Zukunft.

Für den zweiten Höhepunkt, das Bird Festival, sei man schon zu spät dran, da werde schon für 2008 geplant. Die Frage, ob es so früh stattfinde, weil danach die Vögel nicht mehr da seien konnte uns keiner beantworten.

Nach diesen spärlichen, einheimischen Kontakten, blieb der ganze Tag zum braten. Für mich eher ein panisches Suchen nach Schatten in dieser gerodeten Gegend.

Wenige Bäume hier, dafür eine gute Sicht auf die Seen.


Eva verbringt die meiste Zeit im Wasser, dem ich lieber aus der ferne lausche. Immer mit dabei, Buchstaben die sich zu Wörtern formen, die auf Papier gepresst sind, welche sich zwischen zwei Deckeln aus Pappe, laminiert mit Kunststoff, befinden - damit lässt es sich gut durch den Tag kommen.




Beim Abendessen besprechen wir unsere weitere Vorgehensweise, die sich, wie so oft in ein „man werde schon sehen“ verflüchtigten. Dazwischen schmeichelt sich eine Gemüsesuppe an unseren Gaumen.

In jedem Fall würde der nächste Ort Aberdeen (New Braunau ruft) sein, dieser Schritt wurde einem quasi aufgezwungen, wollten wir im weitergehen nicht umstürzen.

Montag, 13. August 2007

Der Regenmacher

Es regnet seit zwei Tagen und keine Besserung in Sicht.

Dabei bleibt in der Ferne oft nicht mehr zu tun, als sich im 5m² Zimmer für 60 Dollars pro Nacht zu verkriechen. Der Regen prasselt auf ein schmutziges Dachflächenfenster, zusammen mit den erzählten Geschichten die einzige Verbindung zur Außenwelt.


Wenn ich dabei die Augen schließe, kann ich mir vorstellen ich würde bei mir zuhause in Gurk liegen, bei Nacht - wenn der Sturm die schrägen Fenster zum klingen bringt. Momente in denen das Einschlafen nicht zur Qual wurde.


Gemeinsam erinnern wir uns an die vergangenen Tage bei den Riley’s, das abendlich familiär zubereitete Essen, das auch sie nur monatlich genießen können. Denn die Kinder sind schon lange ausgezogen. Wie so viele andere Jugendliche dieser Gegend versuchten sie ihr Glück in der Stadt. Während der eine auf die Universität geht, versucht sich der andere in der Fastfoodbranche an der Theke. Kein Job mit vielen Zukunftschancen, wie uns die Mutter sichtlich enttäuscht erzählte.

Noch bestehe aber die Hoffnung, er komme eines Tages zur Vernunft, um den Hof des Vaters zu übernehmen. Immerhin seien hier 100 ha zu bewirtschaften.

Eine Fläche, die einen österreichischen Bauern zum Großgrundbesitzer mache, hier aber als kleine Landwirtschaft zu sehen sei. Der Durchschnitt, so wurden wir belehrt, liege bei 200ha pro Hof.

Für die Riley’s ist es besonders schwer im Wettbewerb zu überleben. Die Hoffnungen auf die Rückkehr des „verlorenen“ Sohnes, besonders aber die Rückkehr einer verlorenen Arbeitskraft, wiegen damit doppelt.

Dass Gott alles richten werde, wenn die Zeit gekommen sei, wurde dabei besonders oft bekräftigt. Den Leitspruch der Nation, den hatten sich die Riley’s besonders gut gemerkt. So speiste man nicht zu viert, nein, oft schien es, dass ein unsichtbarer Fünfter Gast wäre und während des ganzen Abends über anwesend. Er wurde oft befragt oder beschworen, befleht oder mit Dank überschüttet. Selbst unsere Anwesenheit wurde ihm zugeschrieben.

Die Gastfreundschaft war überschwänglich, die Freude über unseren Besuch eine wahrlich Ehrliche. Auch durfte das nächste Getränk nie das Letzte sein und davon gab es reichlich.

Die Mitternacht kam und schlich sich in Form von Müdigkeit in die Gastgeber. Uns ließ man nicht mehr ins Motel, sondern lud uns ins Gästezimmer. Dem nicht abgeneigt, verbrachten wir, nach einem Spaziergang unter klarem Sternenhimmel, die Nacht in bäuerlichen Federkissen.

Dass nach solchen Tagen jetzt im fünf Quadratmeterzimmer mit Blick in die Endlichkeit, die Reisemelancholie an die Zimmertüre klopft, versteht sich fast von selbst. Wir machen auf und lassen sie herein. Immer im Kampf zwischen Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsangst.